Zeitweiliger Wohnsitz Grünstraße 18 und 19

(Wettbewerbsarbeit)

Stadtkunstprojekte in Berlin Köpenick, Mai - Juli 2000, von 8 - 20 Uhr

Vier Lautsprecherboxen installiert im ersten Stock eines Rohbaues, Abspielgeräte. Ort: verschlossener Rohbau in der Grünstraße 18 und 19, 1. Stock.
Das Gebäude war für den Besucher nicht zugänglich, die Geräusche/ Klänge waren von der Straße aus zu hören.

   

Über die Dauer der Ausstellung konnten die Passanten, von der Straße aus, eine Familie, einen älteren Mann und eine junge Frau im 1. Stockwerk des leer stehenden Rohbaus wohnen hören. Dabei war nicht jedes Detail akustisch verständlich, sondern ein klangliches Bild vom Leben und Tagesablauf der Bewohner als akustische Atmosphäre zu hören.
»Köpenick - Sie liegt im Herzen der Altstadt und ruft selten etwas anderes als Kopfschütteln hervor. Jetzt hat die Bauruine an der Grünstraße 18/19 wenigstens für ein paar Wochen Sinn bekommen: Sie ist ins Reich der Kunst aufgerückt.
Dabei hat sich auch in den Augen des kunstbeflissenen Betrachters nichts an dem Beton-Rohbau geändert. Wohl aber in den Ohren der Passanten. Wer die Grünstraße entlanggeht und lauscht, wird mit etwas Fantasie den Eindruck bekommen, das halb fertige Haus sei bewohnt.
Geräusche wie vom Zähneputzen, Staubsaugen und Fernsehen dringen dumpf aus dem Gebäude. Sie stammen von «Bewohnern», die nicht aus Fleisch und Blut sind: Die berufstätige Frau Bach, der Rentner Herr Bardo und die Familie Förster sind nur eine Idee des Berliner Künstlerpaars Roswitha von den Driesch und Jens-Uwe Dyffort. Die typischen «Wohngeräusche» ihrer Haushalte kommen aus Lautsprechern und sind eines der 16 Werke der Altstadt-Ausstellung «StadtKunstProjekte». Der programmatische Titel: «Zeitweiliger Wohnsitz Grünstraße 18 und 19».
Mit ihrem Projekt wollen die Künstler auf eine besonders prägnante Lücke in der Altstadt hinweisen. In ihrer Werkbeschreibung heißt es, die ehemals idyllische Altstadt zeichne sich heute unter anderem durch Abrisshäuser, Rohbauten und dadurch fehlende Bewohner aus. «Ist die Ausstellungszeit vorbei», schreiben sie, «kehrt wieder Stille in die Bauruine ein, und eine akustische Lücke bleibt zurück.«

(Mirko Driller, 22.08.2000 Berliner Morgenpost)

 

©dyffort & driesch