»Mit einer Referenz auf formale, architektonische, aber auch soziale und politische
Strukturen entwickelte Roswitha von den Driesch und Jens-Uwe Dyffort das
Projekt In der Schwebe für die Rathaustürme der Stadt Marl 2006,
für den sie den Deutschen Klangkunst-Preis erhielten. Hier ging es
darum, mittels akustischer Ereignisse räumliche und ortsbezogene
Relationen sowie Kräfteverhältnisse herzustellen bzw. zu verdeutlichen.
In den 1960er Jahren erbaut, symbolisieren die Türme den Versuch,
in Marl ein politisches und soziales Zentrum zu schaffen, das der wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Situation neue positive Perspektiven verspricht.
Geschaffen wurde ein futuristisch anmutendes Gebäude mit einer neuartigen
Hängekonstruktion – ein kleines Fundament mit geringer Angriffsfläche
für Bodenerschütterungen und tragendem Keil, an dem die einzelnen
Geschosse »aufgehängt« sind. Die Büroetagen scheinen
so über der Erde zu schweben – unter ihnen entsteht ein leerer
Luftraum.
Roswitha von den Driesch und Jens-Uwe Dyffort nutzen diesen Raum, um das
architektonische und stadtplanerische Gefüge ästhetisch neu
erfahrbar zu machen und deren fixe Gestalt in Frage zu stellen. Dazu dienten
Klick-Geräusche vieler, durch elektrische Impulse angeregter Piezo-Lautsprecher
als Material. Die Piezos wurden unterhalb der ersten Etage entsprechend
der tragenden 28 Hängeglieder angebracht und bildeten so etwas wie
ein »multisensorales« Echolot zur unmittelbaren Umgebung unterhalb
des Turmes, wo es auf verschiedenen Ebenen entweder tiefe Unterführungen,
begrünte Flächen oder Parkanlagen gibt.
Die akustischen Ereignisse bzw. Klick-Geräusche dieser Installation
sind vorprogrammiert und repräsentieren ein sich selbst anstoßendes
und entwickelndes System, und ein stetes Ausbalancieren von wirkenden
Kräften. Chaotische, schaukelnde und pendelnde Klangmuster sind zu
hören, die die Türme in einem Prozess, der das Gleichgewicht
anstrebt, nach erneuten Störungen immer wieder als schwankend erscheinen
lassen. So hebt auch die Installation In der Schwebe die Relativität
äußerlich stabiler Zustände hervor und führt ein
gemeinhin waltendes Prinzip bzw. »natürliches« Chaos
vor Ohren, das bestehenden Zuständen entgegenzuwirken scheint, aber
auch Bedingung für Kraft, Energie und Bewegung ist.«
(positionen, 70, Beiträge zur Neuen Musik, Februar 2007, Melanie Uerlings)
|